Deutschland im geopolitischen Stresstest: Wie krisenfest sind unsere Energie- und maritime Wirtschaft?

Politik, Industrie und Sicherheitssektor diskutieren über Lösungen zu mehr Resilienz und strategischer Souveränität

Der traditionelle Parlamentarische Abend von DNV in Berlin stand in diesem Jahr unter der Leitfrage „Deutschland im geopolitischen Stresstest: Wie krisenfest sind unsere Energie- und maritime Wirtschaft?“ Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Industrie und dem Sicherheitssektor diskutierten mit knapp 100 Gästen über die Widerstandsfähigkeit des Energiesystems und der maritimen Wertschöpfungsketten angesichts globaler Krisen, wachsendem Protektionismus und sicherheitspolitischer Herausforderungen.

Dr. Björn-Olaf Borth, Country Chair Deutschland und Österreich bei DNV, eröffnete den Abend mit einer eindringlichen Mahnung: „Die geopolitische Weltlage ist für Deutschland so bedrohlich wie lange nicht.“ Er appellierte an Politik und Industrie, an zivile und militärische Kräfte, noch enger zusammenzuarbeiten, wie es zum Beispiel im September diesen Jahres in Hamburg beim größten Sicherheitsmanöver seit Jahrzehnten der Fall gewesen sei.

Die geopolitische Dimension der Energiewende in Deutschland diskutierten Dr. Thomas Werner, Managing Director bei DNV Energy Systems, und Claas Hülsen, Business Development Director Advisory bei DNV. Zwar importiere Deutschland aktuell noch rund 70 Prozent der Primärenergie, zitierten sie aus dem ersten nationalen Energy Transition Outlook 2025, doch dieser Anteil könne dank des Ausbaus Erneuerbarer Energien und zunehmender Elektrifizierung bis 2050 auf 27% sinken. Die geringere Importabhängigkeit stärke die Resilienz der deutschen Energiewirtschaft deutlich – eine Lehre, die seit dem Ukraine-Krieg wichtiger denn je sein. Da sich unter anderem die Energieerzeugung aus Offshore-Windkraft bis 2050 rund versiebenfache, sei der Schutz dieser expandierenden Infrastruktur auf hoher See zentral. 

In seiner Keynote sprach Dr. Christoph Ploß, MdB und Koordinator der Bundesregierung für maritime Wirtschaft und Tourismus (CDU), über die strategische Neuausrichtung der maritimen Wirtschaft. Er warnte vor einer zu großen Abhängigkeit Europas vom Schiffbau in Asien. Kernkompetenzen müssten vor Ort gehalten werden, um nicht auch im militärischen Bereich abhängig von Importen zu werden. Zudem unterstrich Ploß die kritische Rolle der deutschen Häfen, nicht nur als Energiedrehkreuze, sondern auch im Kriegsfall. Als Teil der NATO-Verpflichtungen müssten sie entsprechend geschützt werden.

Die von der WELT-Journalistin Jana Werner moderierte anschließende Paneldiskussion drehte sich um das Thema Resilienz als zentrales Thema unserer Zeit.

Claudia Müller, MdB und Parlamentarische Geschäftsführerin Bündnis 90/Die Grünen, forderte ein neues sicherheitspolitisches „Mindset“ und kritisierte die bisherige politische Prämisse des Friedens als zu naiv – andere europäische Partner, etwa im Baltikum, hätten sicherheitspolitische Risiken schon früher erkannt. Sie warnte vor einer hybriden Bedrohung für die kritische Infrastruktur und sprach sich für eine stärkere europäische Harmonisierung auch im militärischen Bereich aus. „Bei der Resilienz in Deutschland sehe ich deutlich Luft nach oben“, so Müllers Fazit. 

Hans-Jörg Detlefsen, Flottillenadmiral und Gruppenleiter Militärpolitik im Bundeskanzleramt, regte eine engere Zusammenarbeit zwischen staatlichen Strukturen und der Wirtschaft an. Der Austausch sicherheitsrelevanter Daten sei entscheidend, um kritische Infrastruktur wie Häfen wirksam zu schützen. „Ich bevorzuge den Begriff ‚Anti-Fragilität‘ statt Resilienz“, so Detlefsen, und unterstrich damit die Notwendigkeit, Systeme nicht nur widerstandsfähig, sondern aktiv lern- und anpassungsfähig zu gestalten. Darüber hinaus plädierte er für mehr Offenheit gegenüber internationalen Sicherheitspartnerschaften – sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU. 

Dr. Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer von VDMA Power Systems, sagte, dass der Energieanlagenbau in Deutschland operationell sehr gut aufgestellt sei – beispielsweise durch kurze Ausfallzeiten. Gleichzeitig kritisierte er strukturelle Nachteile bei Ausschreibungen, etwa durch steuerliche Regelungen, die die Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Anbietern hemmten. „China profitiert stark von der ökonomischen Macht der Skalierung“, so Rendschmidt, und forderte eine differenziertere Betrachtung bei Importen kritischer Infrastruktur im Hinblick auf geopolitische Herausforderungen.

Dr. Reinhard Lüken, Hauptgeschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik, sprach ebenfalls von strategischen Nachteilen in der industriellen Wertschöpfungskette. Die Abhängigkeit von Rohstoffenimporten sei zu lange unterschätzt worden. Es brauche eine konzertierte industriepolitische Kraftanstrengung, um neue Bezugsquellen zu erschließen. Zudem müssten Finanzierungshürden für die heimischen Werften abgebaut werden. Dann habe der deutsche Schiffbau angesichts des großen Bedarfs aus dem Militär- und Energie-Sektor sehr gute Aussichten.

Der maritime Koordinator Dr. Christoph Ploß versprach aus Sicht der Politik gezieltere Investitionsförderungen, etwa für die Ansiedlung von Offshoreenergie-Unternehmen an Hafenstandorten, die weitere wirtschaftliche Impulse auslösen könnten. Auch mahnte er mehr nationalen Pragmatismus im Vergaberecht an.

Der Parlamentarische Abend 2025 machte deutlich: Resilienz ist mehr als ein Schlagwort – sie ist eine strategische Notwendigkeit. Energie- und maritime Wirtschaft müssen gemeinsam mit Politik und Sicherheitssektor neue Wege gehen, um Deutschlands Zukunft zu sichern.